Gesetzliche Grundlagen

In der Schweiz ist das Tierwohl im Bundesgesetz über den Tierschutz verankert. Das Gesetz «zielt darauf ab, die Würde und das Wohlergehen von Tieren zu schützen». Es wird konkretisiert durch die Tierschutzverordnung (TschV). Die Verordnung hält die Mindestanforderungen an die Tierhaltung fest, z. B. die Grösse der Lebensräume, den Auslauf, den Kontakt mit Artgenossen oder verbotene Handlungen. Ebenfalls bestehen diverse kantonale Weisungen. Darüber hinaus können sich Landwirt:innen im Rahmen von freiwilligen Programmen oder speziellen Labels verpflichten, noch strengere Vorgaben bei der Haltung ihrer Tiere einzuhalten.

Die schweizerischen Vorschriften gelten im europäischen Vergleich als sehr streng und beispielhaft. So gibt es zum Beispiel in der EU keine Platz- oder Einstreuvorschriften, Rinder können länger als einen Tag transportiert werden (Richtlinie 2005/01/EG) und obwohl die Betäubung vor der Schlachtung vorgeschrieben ist, sind Ausnahmen für rituelle Schlachtungen möglich (Verordnung (EG) 1099/2009).

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Freiwillige Programme und Labels

Landwirt:innen müssen diese Mindestanforderungen einhalten, damit sie Direktzahlungen erhalten. Der Bund ermöglicht ihnen zudem, an freiwilligen Programmen zur Förderung des Tierwohls teilzunehmen. Derzeit gibt es zwei Programme:

  • BTS-Programm: Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme
  • RAUS-Programm: Regelmässiger Auslauf im Freien

 

Ab dem Jahr 2023 wird im RAUS-Programm ein Zuschlag «Weidegang» angeboten. Damit soll der Auslauf der Tiere im Winter noch stärker gefördert und der Anteil an Futter aus dem eigenen Betrieb erhöht werden.

Im Jahr 2020 nahmen 75,5 % der Betriebe mit Milchkuhhaltung und damit 85 % der Milchkühe am RAUS-Programm teil. 33,3 % der Betriebe am BTS-Programm.

Diese Programme gewährleisten das Tierwohl in Innenräumen und eine Mindestmenge an Auslauf im Sommer und Winter. Landwirt:innen werden für ihre zusätzlichen Leistungen zugunsten des Tierwohls entschädigt.

Labels wie z. B. BioSuisse oder IP-Suisse sowie Branchenlösungen («grüner Teppich» für Molkereimilch, Produkte mit dem Logo «swissmilk green») unterstützen die Anstrengungen zugunsten des Tierwohls durch zusätzliche Anforderungen. Konsument:innen können durch den Kauf von Produkten mit diesen Labels ebenfalls eine tierfreundliche Landwirtschaft unterstützen.

Regelmässiger Auslauf im Freien

Kühe ernähren sich hauptsächlich von Gras. Auf der Weide können sie ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben. In der Schweiz erhält die Mehrheit der Kühe dank dem freiwilligen RAUS-Programm regelmässigen Auslauf im Freien – sowohl im Sommer wie auch im Winter.

Das RAUS-Programm garantiert u. a. mindestens 26 Weidetage pro Monat während der warmen Jahreszeit. Im Winter haben die Kühe an mindestens 13 Tagen pro Monat Auslauf im Freien (Auslauf oder Weide). So kommen selbst angebundene Kühe regelmässig aus ihren Ställen nach draussen. Dies schreibt auch die Tierschutzverordnung vor. Demnach muss angebundenen Kühen und Rindern regelmässiger Auslauf gewährt werden, an mindestens 60 Tagen während der Vegetationsperiode und an 30 Tagen während der Winterfütterung. In keinem Fall dürfen sie länger als zwei Wochen ohne Auslauf im Stall gehalten werden.

Kurze Transportwege - weniger Stress

Jeder Transport ist für die Tiere mit Stress verbunden. Der Stress ist kleiner, wenn die Transporte kürzer sind. Das Schweizer Gesetz erlaubt eine maximale Beförderungszeit von acht Stunden, davon sechs Stunden Fahrzeit und zwei Stunden Pause. Nur geschulte Personen dürfen die Tiere transportieren. So ist eine gute Versorgung der Tiere sichergestellt.

Die gleichen Regeln gelten auch für den Transport von Kälbern. Seit dem Jahr 2015 müssen Mastkälber zudem mindestens 21 Tage lang im Geburtsbetrieb gehalten werden, bevor sie transportiert werden dürfen. Sie sind dann robuster und haben eine bessere Immunität entwickelt.

Diese Schweizer Regelungen sind bedeutend strenger als in der EU. Dort erlaubt das Gesetz Transporte von bis zu 29 Stunden, mit einer einstündigen Pause zum Tränken.

Hofschlachtung

Um ihren Tieren den Transport zum Schlachthof zu ersparen, schlachten einige Schweizer Landwirt:innen ihre Tiere auf dem Hof oder auf der Weide. Dies ist seit Juli 2020 möglich, sofern eine kantonale Bewilligung vorliegt. Grundlage dafür ist die überarbeitete Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle (VTSchS). Die Schlachtung auf dem Hof und auf der Weide wird streng überwacht.

Enthornen nur mit Betäubung

Rund 73 % der Schweizer Milchkühe sind hornlos. Auch wenn vermehrt hornlose Tiere gezüchtet werden, müssen Kälber weiterhin enthornt werden. Dafür sprechen in erster Linie Sicherheitsgründe. Gegenseitige Verletzungen durch Hörner werden so vermieden und der Umgang der Landwirt:innen mit den Tieren ist einfacher. Auch wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle, da Tiere ohne Hörner weniger Platz im Stall benötigen.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien untersuchen das Verhalten von Rindern mit und ohne Hörner sowie deren Stress und Schmerzen bei der Enthornung. Dank immer neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen können Enthornungen heute so schonend wie möglich vorgenommen werden.

In der Schweiz dürfen nur Kälber enthornt werden, die maximal drei Wochen alt sind. Das Enthornen muss unter Betäubung erfolgen und die Tiere erhalten Schmerzmittel. Enthornen dürfen nur Landwirt:innen mit entsprechender Schulung und einem gültigen Zertifikat. Die Narkose verabreicht in jedem Fall ausschliesslich der Tierarzt oder die Tierärztin.

Mit ihrer Narkosepflicht bei Enthornungen und der damit verbunden Verhinderung von Schmerzen ist die Schweiz international führend. In der Europäischen Union ist die Betäubung nur für Tiere, die älter als vier Wochen sind, vorgeschrieben.

Die Kuh als Teil der Familie

Die Schweizer Landwirtschaft besteht primär aus Familienbetrieben. Im Jahr 2020 war ein durchschnittlicher Milchwirtschaftsbetrieb 28 ha gross und umfasste 27 Kühe. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Milchwirtschaftsbetrieb in Frankreich umfasst 92 ha und 66 Kühe.

Die Topografie des Landes mit den vielen Bergen ist ein wesentlicher Grund für die Kleinheit der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe. Rund die Hälfte aller Milchwirtschaftsbetriebe liegt, gemäss Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2020, in Berggebieten.

Zudem regelt in der Schweiz eine Verordnung die maximal zulässige Anzahl Tiere in der Fleisch- und Eierproduktion. Damit ist die Schweiz anderen Ländern, in denen eine viel höhere Anzahl an Tieren pro Betrieb zulässig ist, weit voraus.

Auch das Schweizer Wasserschutzgesetz begrenzt aus Umweltschutzgründen die Anzahl Tiere, die pro Fläche gehalten werden dürfen. Ziel dieser Massnahme ist es, die Konzentration von Düngemitteln (insbesondere Stickstoff und Phosphor als Bestandteile von tierischen Exkrementen) pro Gebiet zu begrenzen, um die Wasserqualität sicherzustellen. Dadurch ist die Anzahl der auf einem Betrieb gehaltenen Tiere indirekt beschränkt, was sich wiederum auf die Grösse der Betriebe auswirkt.

Dank einer entsprechenden Gesetzgebung hat die Schweiz den familiären Charakter ihrer Landwirtschaftsbetriebe bewahrt. In ihren eher kleinen Betrieben können sich Schweizer Landwirt:innen besser um das Wohl ihrer Tiere kümmern und sie hauptsächlich mit hofeigenem Futter füttern. Eine ideale Voraussetzung für die Produktion der hochwertigen Schweizer Käsesorten.

Genügend Platz auf der Weide und im Stall

Die Tierschutzverordnung (TschV) legt die Mindestanforderungen für die Haltung aller Tierkategorien fest: Kälber, Jungtiere und Kühe. So sind z. B. die Abmessungen einer Liegebox für eine Kuh entsprechend ihrer Grösse (die je nach Rasse variieren kann) festgelegt. Alle Kühe in der Schweiz haben somit die gleichen Platzverhältnisse in ihren Ställen. Die TschV schreibt ausserdem vor, dass die Kühe in Laufställen genügend Platz haben müssen, um sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und um ausreichend fressen zu können. Es ist zudem verboten, mehr Kühe in einem Stall zu halten, als Liegeboxen vorhanden sind.

Das freiwillige BTS-Programm für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme ermöglicht es, Tiere in Gruppen zu halten, ohne dass sie angebunden werden müssen. Es garantiert den Tieren 24 Stunden am Tag Zugang zu einem Ruhebereich und einer einstreufreien Fläche.

Bei der Beweidung wird die Fläche pro Kuh den natürlichen Gegebenheiten des Standortes (Bodenart, Klima) angepasst. So kann beispielsweise ein ertragreiches Gebiet mehr Tiere ernähren als ein Gebiet, das häufig unter Trockenheit leidet. 

Haltungsnormen stellen sicher, dass die Milchkühe unter guten Bedingungen gehalten werden. Das BTS-Programm geht noch einen Schritt weiter, indem die Tiere in Gruppen und ohne Anbinden gehalten werden müssen.

Auch Kälber werden gezielt gepflegt

Die Kälberaufzucht ist ein wesentlicher Bestandteil der Milchviehhaltung. Die weiblichen Jungtiere sind die Zukunft der Herde. Sie sorgen für Erneuerung und für die künftige Milchproduktion. Männliche Kälber werden in der Regel in Mastbetrieben für die Fleischproduktion aufgezogen.

Die Tierschutzverordnung regelt die Aufzucht von Kälbern in den Bereichen Haltung, Fütterung, schmerzhafte Handlungen sowie Enthornen.

Die Gesundheit der Kälber ist ein wichtiges Thema in der Milchwirtschaft. Dies betrifft sowohl die Geburts- als auch die Mastbetriebe. Denn Kälber werden ohne Antikörper geboren. Deshalb benötigen sie möglichst schnell Erstmilch (Kolostrum) von ihren Müttern. Um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu gewährleisten, müssen Fütterung und Unterkunft an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst werden.

In Mastbetrieben werden junge Tiere aus verschiedenen Betrieben zusammengeführt. Dadurch können Gesundheitsprobleme entstehen, die die Sterblichkeit der Tiere erhöhen. Zur Behandlung kann daher Antibiotika erforderlich sein.

Der Verkauf von männlichen Kälbern reiner Milchviehrassen ist wirtschaftlich nicht sehr attraktiv. Daher suchen Landwirt:innen nach technischen Lösungen, um die Zahl der männlichen Milchkälber tief zu halten. Bei der Besamung von Milchkühen können gesexte Samendosen eingesetzt werden. So wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein weibliches Kalb geboren wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, für einige Kühe einen Fleischrassestier anstelle eines Milchrassestiers auszuwählen. So entstehen Kreuzungskälber, die eher den Erwartungen an die Mast entsprechen und besser bezahlt werden.

In Milchviehbetrieben werden die Kälber in der Regel nach einigen Tagen von ihren Müttern getrennt. Seit dem Jahr 2020 erlaubt das Schweizer Gesetz (Verordnung des EDI über die Hygiene in der Milchproduktion) die Vermarktung von Milch von Kühen, die ihre Kälber säugen. In diesen Betrieben bleiben die Kälber bei ihren Müttern, die Kühe werden trotzdem gemolken. Diese Haltung ist zwar anspruchsvoll, respektiert aber das natürliche Verhältnis zwischen Kuh und Kalb. Zur Anwendung kommt sie insbesondere in der biologischen Landwirtschaft, aufgrund der guten Resultate interessieren sich jedoch auch immer mehr konventionelle Betriebe für diese Haltungsform.